Der bedeutendste Schneeforscher unserer Zeit ist sicherlich der Physiker Prof. Kenneth Libbrecht am California Institute of Technology (Caltech): Auch der amerikanische Astronom konnte sich der Faszination der Schneekristalle nicht entziehen. Mittels Computersimulationen und modernster Labortechnik konnte er die Erkenntnisse Nakayas über die morphologische Erscheinungsform sowie den Kristallaufbau von Schneekristallen weiterentwickeln.
Für die Anordnung der Wassermoleküle in Kristallstruktur ist die Beschaffenheit des H2O-Moleküls verantwortlich, indem jedes Molekül durch eine sog. Wasserstoffbrückenbindung stabile Beziehungen zu anderen H2O-Molekülen eingehen kann. Durch das Streben nach dem geringsten Energieniveau ordnen sich beim Gefrieren die Wasseratome in einem Sechserring an (zweidimensional betrachtet), wobei das Wasserstoffatom eines Moleküls dem Sauerstoffatom des anderen Moleküls am n?chsten ist. Durch die noch unbelegten (die jeweils zweiten Wasserstoffatome des Wassermoleküls) k?nnen weitere (dreidimensionale) Bindungen eingegangen werde, wobei die hexagonale Struktur die Ordnung des Kristallaufbaus vorgibt: ein sog. hexagonal geordneter Kristall entsteht, wenn jedes Wassermolekül von vier anderen tetraedisch im Raum umgeben ist. Durch diese Anordnung weist die hexagonale Kristallstruktur gro?e Hohlr?ume und eine geringe Dichte auf – mit der Folge, dass Schneekristalle im Vergleich zu anderen Kristallen von leichtem Gewicht sind. Ein Schneekristall von 1 Millimeter Durchmesser besteht aus ca. 100 Trillionen Wassermolekülen.
Die hexagonale Anordnung der Sauerstoffatome ist für die sechsstrahlige Symmetrie in Schneekristallen verantwortlich. Wie entstehen nun jedoch aus einem sechseckigen Pl?ttchen die sechsarmigen Sternchen? Der Schneekristall befindet sich durch die thermischen Turbulenzen innerhalb der Wolke in einem Wachstumsprozess, dessen Komplexit?t durch die sogenannte Verzweigungsinstabilit?t gelenkt wird. F?llt ein sechseckiges Pl?ttchen durch die Atmosph?re, bieten die Ecken bessere Anlagerungspunkte für die Aufnahme weiterer Wassermoleküle.
bwin娱乐_bwin娱乐官网欢迎您@e Ver?stelungen ragen weiter in die Atmosph?re als das Hexagon selbst, so dass durch einen positiven Rückkopplungseffekt immer mehr Wassermoleküle an den Ausl?ufern aufgefangen werden k?nnen. Die Auswüchse zeigen zunehmend eine thermodynamische Instabilit?t, so dass sich Seitenarme verzweigen und neue Landungspunkte für weitere Moleküle angeboten werden (Mullins-Sekerka-Instabilit?t). Da die Bedingungen für alle Auswüchse eines Kristalls als gleich zu betrachten sind, entwickeln sich die Dendriten symmetrisch. Das dendritsche Wachstum von Schneekristallen kann mittels Computersimulation berechnet werden.
Auch wenn gerne die regelm??igen Kristallsterne in Abbildungen zu finden sind, darf nicht verschwiegen werden, dass sich durch die sich st?ndig ?ndernden Entstehungsbedingungen in der Natur auch asymmetrisch geformte Schneekristalle entwickeln k?nnen. Eine vermeintliche Zw?lferstrahligkeit l?sst sich durch eine zentrische Verwachsung von sechsarmigen Dendriten erkl?ren. Ein dreieckiges Schneekristall erlebte auf seiner Reise zur Erde heterogene Wachstumsbedingen, die unregelm??ig auf seine partielle Ausformung einwirkten.
Daneben lassen sich Mischformen aus Pl?ttchen und Dendriten sowie gedeckelte Prismen ausmachen, die dadurch entstehen, dass der jeweilige Eiskristall in seiner Entstehung zuerst in der einen Form ausbildet und durch sp?tere Einflüsse in einer anderer Morphologie fortf?hrt. Daneben sind Brüche und Verletzungen durch Kollisionen mit anderen Schneekristallen m?glich, die ein unregelm??iges ?u?eres bewirken k?nnen.
Die Zweidimensionalit?t des Schneekristalls in Form eines Pl?ttchens oder eines Sterns ist nur eine scheinbare. Wie Kenneth Libbrecht zeigen konnte, besitzt der Schneekristall eine dreidimensionale, nicht konvexe Struktur. Die Dreidimensionali?t der Schneekristalle wird besonders in ihrer Erscheinungsform als Prismen deutlich, die im Innern einen Hohlraum bilden k?nnen.
Kenneth Libbrecht lieferte ebenfalls einen Beitrag zu der No two alike-Diskussion, die Wilson Bentley aufgebracht hatte. Er geht nicht von einer v?lligen Identi?t zweier Kristalle auf molekularer Ebene aus, spricht hingegen von ?identical-twin“ snowflakes: ?This page describes some ?identical-twin” snowflakes I have been making in the lab. I use this term because, like identical-twin people, these snow crystal twins are clearly very similar to one another, although they are not precisely identical.“ Im Gegensatz zu seinen Designer-Schneekristallen, wie er seine gezüchteten Kristalle nennt, spricht er bei natürlichen Schneekristallen von auffallender ?hnlichkeit, sie seien von ?nearly the same shape”.
An der Universit?t Regensburg besteht ein Schwerpunkt am Lehrstuhl von Hrn. Prof. Harald Garcke im Bereich Angewandte Mathematik für das Wachstum von Schneekristallen. Das Forschungsinteresse geht natürlich weit über eine blo?e ?sthetik bizarrer Sterne, hexagonaler Pl?ttchen und Prismen hinaus: Die Besch?ftigung mit den Eiskristallen hilft das Wachstum von Kristallen in der Halbleitertechnologie und der Solar- und IT-Industrie, die Bildung von Quantenpunkten in der Nanotechnologie oder die Erstarrung von klassischen Werkstoffen zu verstehen. Mittels Computersimulationen k?nnen Ph?nomene wie der Lotuseffekt anhand physikalischer Oberfl?chenbeschreibung sowie Beitr?ge in der medizinisch angewandten Computertomographie und anderen bildgebenden Verfahren geliefert werden.