Der sog. ?Dioscurides“ ist ein antikes Pflanzenbuch, das über 1600 Jahre bis zur sp?ten Neuzeit für botanische und pharmakologische Studien am meisten rezipiert wurde. Es geht auf den r?mischen Milit?rarzt Pedanios Dioscurides aus Anazarba (Kleinasien) zurück, der unter den Caesaren Claudius und Nero Dienst leistete. Auf seinen weiten Reisen von Nordafrika bis nach Gallien konnte er sich umfangreiches botanisches und medizinisches Wissen aneignen. So waren ihm auch indische und persische Arzneien bekannt.
Sein umfangreiches Hauptwerk Περ? ?λη? ?ατρικ?? (De materia medica, ??ber die Heilmittel“) behandelt in 5 Büchern pflanzliche und tierische Nahrungs- und Arzneimittel, Genussmittel wie Wein und Mineralien, wobei auch die Magie ihren Platz findet. Insgesamt werden ca. 1.000 Arzneistoffe und fast das Fünffache an ihren offizinellen M?glichkeiten besprochen. Dioscurides versuchte sich an einer neuartigen Systematik, indem er die medizinische Wirkkraft als Ordnungsprinzip einführte. Damit bezeichnete er allerdings zun?chst eine allgemeine Eigenschaft der Arznei, wie kühlend, erw?rmend, etc. Die Gruppierung nach Wirkstoffgruppen hatte den Vorteil, dass der Arzt neben einer praktikablen Mnemotechnik auf mehrere Arzneipflanzen nach Verfügbarkeit zurückgreifen konnte. Leider wurde diese fortschrittliche Kategorisierung noch in der Sp?tantike zu Gunsten der althergebrachten Methode der Alphabetisierung aufgegeben.
Die vorgestellten Heilpflanzen werden nach einem festen Schema beschrieben: Name, Synonyme, Herkunft, botanische Beschreibung, offizinelle Verwendung, Nebenwirkungen, Sammeln, Zubereitung, Anwendung, Lagerung sowie m?gliche Verwechslungsgefahr. Erst die Neuregelung der botanischen Nomenklatur durch Linné verdr?ngte die klassischen Pflanzenbezeichnungen des Dioscurides.
Das Pflanzenbuch hat sich in verschiedenen Handschriften erhalten. Am bekanntesten und pr?chtigsten ist der sog. ?Wiener Dioscurides“ oder ?Juliana Anicia-Kodex“ gestaltet. Die byzantinische Handschrift aus dem Jahr 512, die die Bewohner eines Vorortes von Byzanz für den Bau einer Kirche zu Ehren der Juliana Anicia anfertigen lie?en, zeigt sich in seiner Entstehungsgeschichte als Sammelhandschrift. Die Heterogenit?t der ganzseitigen Miniaturen, die dem Werk in motivischer Doppelung vorangestellt werden, liefern wichtige kunsthistorische Indizien: Die zwei Gruppenbildnisse mit je sieben ?rzten wurden wohl von einer Dioskurides- und Galenausgabe aus dem 1. und 3. Jahrhundert kopiert. Von den zwei Mandragoradarstellungen (Alraune) dürfte das erste in seiner Gestaltungsweise wesentlich ?lter sein und vermutlich auf das Titelblatt des Herbariums des Krateuas (um 100 n. Chr.) zurückgehen, w?hrend das zweite wohl auf einen Dioscurides aus dem 3. oder 4. Jahrhundert hindeutet. Erst das Dedikationsbild an Juliana Anicia und der Ziertitel beziehen sich eindeutig und in ihrer einmaligen Ausführung auf die Entstehungszeit der Handschrift. Die fast 400 ganzseitigen Pflanzenmalereien im Inneren der Handschrift verraten ebenfalls unterschiedliche Entwicklungsstufen. Es ist anzunehmen, dass frühe Dioscuridesausgaben unbebildert waren und etliche Abbildungen aus den Herbarien des Krateuas und Galen (2. Jahrhundert) sowie deren Abschriften entlehnt sind. Wahrscheinlich geht die uns bekannte Anlage des Kr?uterbuchs De materia medica auf eine Vorlage des Wiener Dioscurides aus dem 3. oder 4. Jahrhundert zurück.
Zudem werden in der Wiener Sammelhandschrift Prosabearbeitungen wie die Theriaka und Alexipharmaka des Nikander, die Halieutika des Oppian und die Ornithiaka, die Dionysios von Philadelphia zugeschrieben werden, überliefert.
Eine Virtuelle Ausstellung
der Universit?tsbibliothek Regensburg