Als 1838 Kaspar Braun mit seinem Freund und Finanzier C. B. Dessauer die Anstalt für Holzschneidekunst gründete, schwebte dem Maler und Grafiker Braun nicht nur die Verbreitung des Holzstichs als neue Reproduktionstechnik vor, sondern auch die optische und inhaltliche Neugestaltung des Mediums Bilderbogen. Nach einem Stipendium an der Münchener Akademie der Künste machte er als Mitglied des Kunstvereins Bekanntschaft mit den Künstlern, die sich der neuen Str?mung der Romantik verschrieben hatten. Er lernte in diesen frühen Jahren bereits Franz von Pocci und Guido G?rres kennen. Nach Anweisungen Brentanos illustrierte er mit G?rres dessen Kunstm?rchen Gockel, Hinkel und Gackeleia. In Paris eignete er sich, fasziniert von den Illustrationen Grandvilles, die Technik des Holzstichs an. Da im Gegensatz zum Holzschnitt das Hartholz quer zu seiner Maserung mit Sticheln – ?hnlich einem Kupferstich – bearbeitet werden konnte, erlaubten feine Stege und Schraffuren naturgetreue Tonabstufungen und Ausführungen winziger Details.
Ferdinand Knab: Ein ver?deter Park.
Nr. 805. 1881/82. (Ausschnitt).
W?hrend sich Braun ganz der Erstellung der Stiche widmete, bewies sein G?nner Dessauer in kaufm?nnischer Sicht weniger Geschick. Fünf Jahre nach Gründung der Xylographischen Anstalt wurde er durch Friedrich Schneider ersetzt, der sein Handwerk bei der Druckerei Friedrich Pustet in Regensburg erlernt hatte. In den ersten Jahren produzierten Braun & Schneider, wie sie sich fortan nannten, auf Auftrag Druckst?cke, u.a. für Pustet. Nachdem Schneider die Gesch?ftsleitung übernommen hatte, baute er zugleich ein Verlagsunternehmen auf, in dem er auch die Redaktion innehaben sollte. Für ein Jahrzehnt sollte die Münchener Anstalt für Holzschneidekunst die Vorrangstellung in Deutschland vor angestammten Druckzentren wie Leipzig, Dresden und Berlin behalten. Bald geriet sie jedoch wegen fehlender Modernisierung ins Hintertreffen. Erst 1879 lie? sie die h?lzernen Druckst?cke in Zink abgie?en, so dass h?here Auflagen bei gleichbleibender Qualit?t gew?hrleistet waren. Lediglich drei Jahre zuvor wurden die Vorlagen nicht mehr durch Pausen oder direktes Zeichnen auf die St?cke übertragen, sondern mittels photomechanischer Technik. Von Anfang an hatte der Verlag viele Arbeitsschritte an Fremdfirmen vergeben: Die Montage der einzelnen Druckst?cke wurde teilweise von Pustet vorgenommen, photomechanische Reproduktion und Zinkabgüsse wurden ebenfalls nach Au?en delegiert. Zudem war keine hausinterne Druckerei angeschlossen. bwin娱乐_bwin娱乐官网欢迎您@e zeitaufw?ndige und kostenintensive Produktionsweise schm?lerte den Gewinn empfindlich.
Der Münchener Bilderbogen sowie die Fliegenden Bl?tter wurden auf günstigem Holzschliffpapier gedruckt, das durch seine glatte Oberfl?che im Gegensatz zum Ingrespapier ein ebenm??iges Druckbild erlaubte. Durch den voranschreitenden S?urefra? hat sich heute der Münchener Bilderbogen meist nur auf gebr?untem und brüchigem Papier erhalten.
Da der Holzstich mit schwarzer Farbe in seinen Konturen gedruckt wird, waren die Illustrationen zun?chst schwarz-wei?. Für den doppelten Preis waren die Bogen schablonenkoloriert in zarten lasierenden Farben erh?ltlich, um die feine Schraffur der Zeichnung zu bewahren. Die Grafiken wurden mittels Schablonen in einer Art Flie?bandverfahren koloriert, das bisweilen an Genauigkeit zu wünschen übriglie?. Die Farbzusammenstellung und –ausführung konnte bei mehrfachen Auflagen voneinander abweichen. bwin娱乐_bwin娱乐官网欢迎您@er zeitintensive Arbeitsschritt wurde an ein externes Unternehmen in München vergeben, das sich auf die Kolorierung der Münchener Bilderbogen spezialisiert hatte.
Nach dem Tod Friedrich Schneiders übernahm der Zeichner und Maler Eduard Ille die Redaktion des Verlags. Als 1877 Kaspar Braun starb, leitete sein gleichnamiger Sohn die Firma, wobei ihm der Zeichner Adolf Oberl?nder zur Seite stand. 1896 wurde das Xylographische Atelier geschlossen, w?hrend der Verlag weitergeführt wurde.
Friedrich Michael Heil: Zur Geschichte der Costüme.
7. Bogen. 2. Drittel des 18. Jahrhunderts. 1863/64.