Vermeintlich oder tats?chlich altertümliche Sprache l?st unterschiedliche Reaktionen aus. Der hier vorgestellte Beitrag von Roland Schimmel zeigt, worüber man stolpern k?nnte, und animiert zum Umformulieren. Dahinter steht die — nicht selten zutreffende — Einsch?tzung, dass altertümelnde Formulierungen gew?hlt werden, um die eigene Bedeutsamkeit zu unterstreichen.
Vielleicht kann man das Stolpern über ?lteres, vermeintlich ?antiquiertes“ Deutsch aber auch einmal anders nutzen, indem man neugierig den Reichtum der Sprache, ihre Ver?nderungen und damit nicht zuletzt die Geschichtlichkeit (?Historizit?t“) unseres Tuns wahrnimmt. Denn manche jener sprachlichen Ver?nderungen sind auch Verluste und das stolpernd begonnene Lernen neuer alter Worte wird vielleicht ein Gewinn. Schlie?lich sind nicht wenige vermeintlich moderne Bereicherungen nichts als Wortgeklingel im Kampf um Aufmerksamkeit. Es gibt, jenseits der Verst?ndlichkeit, keine eindeutige Regel, wo man umformulieren sollte oder umgekehrt die alte Formulierung mit einer gewissen Stilz?rtlichkeit festhalten darf. Sich darüber Gedanken zu machen, aber, verbessert in jedem Fall Sprache und Stil. Viel Freude also mit der Experimentieranregung von Roland Schimmel. (Pascale Cancik)?
Das Recht ist eine konservative Angelegenheit. Die Rechtswissenschaft ist es — auf weiten Strecken — ebenfalls. So verwundert es kaum, wenn auch die Sprache des Rechts und der Rechtswissenschaft stark bewahrende Züge tr?gt. Sie bewahrt nicht zuletzt eine Ausdrucksweise, die an das 19. Jahrhundert gemahnt. Dagegen ist nicht leicht anzugehen; ohne (Antrags- und Urteils-)Formeln, Standardformulierungen und dergleichen kommt man im Recht nicht aus. Dort tradiert sich also leichter, was anderswo in Vergessenheit ger?t. Nachwachsende Juristen gew?hnen sich die Benutzung antiquierter Ausdrücke leicht an, kann man doch mit ihnen leicht Signale sozialer und professioneller Zugeh?rigkeit senden.
Doch manchmal geht das auf Kosten der Verst?ndlichkeit. Und Adressatenfreundlichkeit im 21. Jahrhundert erforderte vielleicht noch einmal etwas ganz anderes.?
Glücklicherweise hat es jeder selbst in der Hand, ob er sich eines solchen antiquierten Ausdrucks beflei?igen m?chte. Wer noch z?gert, nutze die nachstehenden harmlosen Beispiele, um im famili?ren oder freundschaftlichen Nahumfeld ein paar kleine Verst?ndlichkeitstests durchzuführen.
Alle Leser sind eingeladen, eine leichter zug?ngliche Fassung zu formulieren. Nur mal so zum Ausprobieren, wie sich das anfühlt.
?
Beispiel 1.
Mit dem Alter kommen die Gebrechen, klar. Aber kennen Sie gebrechen auch als Verb?
Eine Befangenheit der Prüfer kann sich aus der Art und Weise ihres Umgangs mit den eigenen Feh?lern bei sp?teren Nachkorrekturen ergeben; sie liegt nicht nur vor, wenn sich die Prüfer von vornhe?rein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ?ndern, sondern auch dann, wenn es ihnen an der F?higkeit gebricht, eigene Fehler zu erkennen und einzur?umen, oder auch nur, diese mit dem ihnen objektiv gebührenden Gewicht zu bereinigen.
?
Beispiel 2. ????????????
Will man dem Schriftsatz oder der Urteilsbegründung einen antikisierenden Hauch verleihen, genü?gen oft schon wenige bedachtsam gew?hlte kleine Akzente.
Unbeschadet dieser Lückenhaftigkeit der Verfassung besitzt das Finanzverfassungsrecht keine an?dersartige Geltungskraft gegenüber den übrigen Abschnitten des Grundgesetzes.[Fn.] Die Bestimmungen des X. Abschnitts des GG sind damit voll justiziabel.[Fn.]
Unbeschadet benutzt allerdings noch der Gesetzgeber des 21. Jahrhunderts in § 439 IV, § 443 I BGB als Synonym für ungeachtet oder ohne Nachteil für. Die meisten Menschen lesen es als unbesch?digt. Das trifft den juristischen Sinn nur eher ungef?hr.
?
Beispiel 3. ????????????
Und dann haben wir Juristen noch W?rter, die nicht einmal der Duden kennt. Unbehelflich, nur mal so zum Beispiel.
Unbehelflich ist schlie?lich auch der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und ebenso von dem Berufungsgericht gegen eine Anwendung der Grunds?tze des Se?natsurteils vom 29. April 2015 (VIII ZR 197/14, aaO) auf die hier gegebene Fallgestaltung geltend gemachte weitere Einwand, wonach das betroffene Grundstück durch den auf einem benachbarten Grundstück erfolgenden Neubau, insbesondere wenn hierdurch eine Baulücke geschlossen werde, eine ?Aufwertung“ erfahren k?nne.
?
Wer die Beispiele im Zusammenhang nachlesen m?chte, findet sie bei
?
Bei den Beispielen (1.) und (3.) kann man überlegen, ob der Inhalt auf mehrere S?tze aufteilbar ist. Bei Beispiel (2.) ist die Substantivquote recht hoch. Gelingt Ihnen eine leichter zug?ngliche Fassung?
Roland Schimmel (Frankfurt am Main)