Diss. 'Bildung der regionalen Identit?t Kretas'

Die Bildung der regionalen Identit?t Kretas (3. Jh. v.Chr. - 4. Jh. n.Chr.): Die konstituierende Rolle der Religion / La formazione dell’identità regionale di Creta (III sec. a.C. - IV sec. d.C.): il ruolo costitutivo della religione

In der Dissertation werden die formativen Prozesse und die Entwicklung einer das ganze Kreta umfassenden Regionalidentit?t verfolgt und deren Beziehung zur entsprechenden politischen Organisation (der ?Bund der Kreter“) betrachtet. Die kretische Religion, in der R?merzeit durch den Kaiserkult erg?nzt, scheint über sieben Jahrhunderte hinweg als grundlegender Faktor zur Konstituierung der regionalen Identit?t gewirkt zu haben.

Der ?Bund der Kreter“ entstand im 3. Jh. v.Chr. und bestand bis zur Sp?tantike fort (4. – Anfang 5. Jh. n.Chr.). Es handelte sich um eine f?derative Struktur, die die unabh?ngigen Stadtstaaten der Insel Kreta vereinte und ihre Au?enpolitik gegenüber den hellenistischen Gro?m?chten zuerst, der r?mischen Verwaltung sp?ter, koordinierte. Nach der r?mischen Eroberung 67 v.Chr. verloren die kretischen poleis den Gro?teil ihres au?enpolitischen und milit?rischen Handlungsspielraumes. Seinerzeit wurde der ?Bund der Kreter“ zu einer Provinzialversammlung unter r?mischer Herrschaft umgestaltet. Wie diese trotz ihrer untergeordneten Stellung bei der Verwaltung der Provinz mitwirkte, wird in der Dissertation dargelegt.
Die Untersuchung des numismatischen, epigraphischen und arch?ologischen Quellenmaterials stellt einerseits die Organisation des Bundes (politische Organe, Finanz- und Milit?rwesen) in vier verschiedenen Phasen (Hellenismus, Sp?trepublik, Kaiserzeit, Sp?tantike) kritisch dar, andererseits die au?erpolitischen Faktoren – ethnischer, kultureller und v.a. religi?ser Art –, die zum Zusammenhalt der regionalen Gemeinschaft der Kreter beigetragen haben. Es zeigt sich, dass bei der Bildung der regionalen Identit?t die kretische Religion die gr??te Rolle gespielt hat. Trotz der sich wandelnden politischen Verh?ltnisse weist sie n?mlich über die Jahrhunderte eine erhebliche Best?ndigkeit und Anpassungsf?higkeit auf, indem sie ein grundlegendes und festes Bezugssystem für die lokale Identit?t etablierte. Die ?bersicht der Provinzialmünzpr?gung bildet den Rahmen, in den man die übrigen Zeugnisse einordnen und verdeutlichen kann.
Drei Heiligtümer überregionaler Bedeutung pr?gen die kultische Landschaft Kretas w?hrend der Kaiserzeit, und zwar die Zeusgrotte auf dem Berg Ida in Mittelkreta, das Diktynnaion in Westkreta und das Heiligtum des Asklepios an der Südküste. Zu den traditionellen Kulten an diesen Orten trat der Kaiserkult hinzu, der insbesondere auf den Divus Augustus fokussierte. Aus dem Zusammenflie?en dieses neuen Kultes und der ?lteren, vom hellenistischen Bund übernommenen Elemente entwickelte sich eine neuartige, r?misch-kretische Identit?t, an deren Gestaltung andere kulturelle Muster r?mischer Herkunft (z.B. Thermen, Gladiatorenspiele im Amphitheater u.a.) ihren Anteil hatten.
Am Beispiel der Polis Gortyn, die zur Hauptstadt der r?mischen Provinz geworden war, kann man die Aktivit?ten des Bundes und ihre Vernetzung mit den traditionellen und st?dtischen Institutionen am besten beobachten: F?derale Versammlungen, religi?se Feierlichkeiten, wahrscheinlich auch die Pr?gung der provinzialen Münzen waren hier lokalisiert und lassen sich an Hand von ?ffentlichen und sakralen Bauten, Bildwerken und Ehrendenkm?lern analysieren.
W?hrend der sp?tantiken Phase war die Verwaltung der Insel dann von wenigen einflussreichen Honoratioren senatorischen Standes bestimmt, die in enger Verbindung mit dem jeweiligen Provinzstatthalter handelten. In diesem Rahmen beschr?nkte sich die Initiative des Bundes faktisch auf Ehrenbeschlüsse für r?mische Provinzverwalter und Senatoren. Die wachsende Abh?ngigkeit von der Provinzialverwaltung spiegelt sich auch auf finanziellem Gebiet wider.
Die Dissertation beinhaltet einen prosopographischen Katalog der Bundesvorsitzenden (Kretarchai oder archiereis) und eine umfangreiche ?bersicht der die Bundeskulte betreffenden Münzpr?gung.

Dott. Lorenzo Cigaina